Gemütlich in der Mitte von Bremen liegt das Steintor. Böse Zungen behaupten, der Abwärtstrend sei unübersehbar. Klar: Was sich da vor allem Nachts so rumtreibt, ist selbst für eher entspannte und weitgehend angestbefreite Typen schon grenzwärtig. Zwischen Nutten und schlechtem Koks und ist an Checkern und Gestörten, losgerissenen Astronauten und Empörten viel zu bewundern und bestaunen für Leute, die gerne Sozialstudien betreiben. Irgendwie ist das charmant. Oder abgefuckt, je nach Perspektive.
Meines Erachtens bewegen wir uns da voll in der Schnittmenge. Im sich weitenden All des Verfalls. Richtig gut wird es erst, wenn man da morgens aus dem Rossmann kommt und irgendwelche Zugedröhnten einen entweder in den Arm nehmen oder alternativ auf die Fresse hauen wollen.
Das sind Stilblüten unseres Bremer Kulturbiotops, die -garniert mit den Inhalten aus zerrissenen gelben Säcken auf den Gehwegen- eine sonderbare Melange abgeben, die einen zwischen Fernweh und "so ist das bei uns im Ghetto" pendeln lässt. Dealer gibt es ca. alle 10 Meter (gerade kurzfristig bißchen weniger, da das K 43 vom LKA kräftig Bambule gemacht hat). Nur so als Info für Drogentouristen aus aller Herren Länder (nein, damit meine ich nicht Sierra Leone, sondern eher Diepholz und so...): Der Stoff ist nach wie vor Dreck, die Qualität der Ware unter aller Kanone. Da werden Blätter von Kastanien oder Eichen (was gerade in der Nähe rumfliegt oder greifbar ist) mit oder ohne Billiggras als "Super Haze" verkauft und Doofmann aus´m Umland bildet sich auch noch eine Dröhnung ein. Wenn wundert´s, dass die immer so viel lachen, die Immitatverkäufer aus Afrika? Don´t buy this shit. Dann lieber doch Union Pils von REWE. Oder in den Hammerbierladen "Hopfen und Schmalz" bißchen weiter runter in Peterswerder. Da kommt ganz schnell der Glauben an die Menschheit zurück. Klar, nur Substanzen aus der Alkoholgruppe, nix Anlage I - III BtMG, aber wer den Wirt mal nach seinem Lieblingsweizen aus Belgien befragt, der kriegt ne was serviert, was aller Ehren wert ist.
Nicht ganz ohne Realsatire geht´s im Viertel nicht. Und wenn man ann den Treffpunkt für Kaffeekränzchen der schwarzafrikanischen Dealerszene und deren Kundschaft, das "Swing" in der Nähe eines Fachgeschäfts für Schädlingsbekämpfung sieht, dann wirkt das unfreiwillig komisch. Auch wenn man das im Steintor vielleicht nicht sagen darf, denn immerhin befinden wir uns im Epizentrum des politsch Korrekten. Und wer da nicht vegan-pansexuell oder geschlechtslos ist - und sich mit Vehemenz gegen den gemeinen Fleischesser einsetzt, der gilt per se als verdächtig. Klar, man kann immer auf eine Veranstaltung gehen, bei der es um die Manifestierung hydrosexueller Freiheit geht (wenn man denn eingeladen ist...) - aber den Geruch des Normalen, des biederen fleischessenden Heteromannes, der auch noch an überholten Dingen wie Familie festhält, den wird man nicht los. Diesen Gestank wittern die Gralshüter auf einen Kilometer gegen den Wind und ein "hey, ich bin hydrosexuell!" wirkt da nicht nur aufgesetzt und verlogen - es schwingt das Risiko mit, dass man sich auf ewig der Gefahr ausgesetzt sieht, nie mehr part of the game sein darf, also von weiterer Diskussion ausgeschlossen wird. Ergo: Besser nichts sagen, was man nicht einhalten kann und nicht will.
Aber: Man kann sich auch noch in den Irish Pub Hegartys retten und am Tresen diese sonderbaren Eindrücke mit einem Pint Guiness runterspülen. Oder bei Ear Records coole Mucke hören...die Jungs haben Plan von Mucke, keine Frage. Wer brav ist, kriegt auch Kaffee (den ich noch nicht gekriegt habe!). Ich muss jetzt los, direkt durch mein Lieblingssteintor nachhause....
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