Es gibt immer wieder Momente, in denen man merkt, dass die Arbeit im Thema Fahrerlaubnisrecht echt Spaß macht und man mit etwas Überzeugungsarbeit den Entzug der Fahrerlaubnis verhindern kann.
Kürzlich meldete sich ein Mandant aus Rosenheim, der im Darknet ein paar Pillen bestellt hatte. Deswegen sollte seine Fahreignung im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens unter die Lupe genommen werden. Er gab während des Gesprächs mit dem Gutachter an, noch nach der Aufforderung zur Begutachtung einmal Cannabis konsumiert zu haben.
Gelegentlicher Konsum von Cannabis ist ja nicht verboten, solange man zwischen Konsum und dem Führen eines KFZ sauber trennen kann.
Der Gutachter bastelte sich daraus einen Kontrollverlust. Was interessant ist, denn mir will nicht in den Kopf, warum die Ausübung einer generell erlaubten Sache angesichts eines sich nähernden ärztlichen Gutachtens auf einmal einen Kontrollverlust begründen soll. Das las sich dann wie folgt:
Das fand ich irgendwie paradox. Auch wenn ich weiß, dass es mit den unterschiedlichsten waghalsigen Argumentationsmustern versucht wird, die Betroffenen als fahruntauglich zu brandmarken. Bei der Begutachtung wurde weder THC noch THC COOH nachgewiesen.
Ich schrieb dem zuständigen Landratsamt also einen Brief folgenden Inhalts:
"...
Inhaltlich weise ich schon jetzt darauf hin, dass das Gutachten der AVUS auf Bl. 8 einen Konsum von Cannabis feststellt, der als Gelegenheitskonsum zu klassifizieren ist. Mischkonsum mit Alkohol kam nicht vor. Der Nachweis des Konsums von anderen BtM als Cannabis wurde nicht erbracht.
Auf Bl. 9 heißt es, die Urinprobe sei negativ gewesen.
Soweit mir bekannt, ist ein gelegentlicher Konsum von Cannabis ohne Bezug zum Straßenverkehr fahrerlaubnisrechtlich ohne Relevanz.
Und ein solches Konsummuster kann und v.a. darf auch angesichts eines nahenden Termins zur ärztlichen Begutachtung fortgeführt werden - ohne dass dies einen Anlass dazu bietet, von einem Kontrollverlust zu sprechen, der die Fahreignung tangiert.
Es gibt keine Vorschrift, die eine Abstinenz in einem solchen Fall gebietet, auch den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung ist dies nicht zu entnehmen. Dem untersuchenden Gutachter, der ja immerhin Facharzt für Rechtsmedizin ist, sollte im Grunde klar sein, dass sich der Hauptmetabolit des THC, das THC COOH, nur über einen längeren Zeitraum abbaut.
Ausgehend von dem eingeräumten Konsum von Cannabis seitens meines Mandanten Ende November und eine einem „Kontrollverlust“ entsprechenden eher unverantwortlichen Konsummuster dürfte sich der THC COOH Wert niemals über einen Zeitraum nur bis zum Tag der Begutachtung abgebaut haben. Dies könnte nur der Fall sein, wenn mein Mandant sehr wenig geraucht hätte. Und zwar in einem Maße, dass dem von ihm eingeräumten -verantwortungsbewussten gelegentlichen- Konsummuster entspricht.
Hier von einem Kontrollverlust zu sprechen, ist aus meiner Sicht nicht haltbar, die saubere Urinprobe besagt ja gerade das Gegenteil, denn bei einem gelegentlichen Konsum ist THC COOH mindestens mehrere Tage, eher aber mehrere Wochen bis Monate im Urin nachweisbar. Der Gutachter argumentiert hier gegen eigene medizinische Befunde in paradoxer Art und Weise.
Nochmals weise ich darauf hin, dass ein bevorstehendes ärztliches Gutachten niemanden zwingt, den gelegentlichen Konsum von Cannabis einzustellen.
Hieraus zu Lasten meines Mandanten auf einen Kontrollverlust zu schließen, ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fahrerlaubnisrechts und der dortigen Regelungen hinsichtlich des gelegentlichen Konsums von Cannabis (eine Trennungsproblematik lag hier ja gerade nicht vor) und v.a. angesichts der negativen medizinischen Befunde der Urinprobe aus meiner Perspektive inakzeptabel. Eine hinreichend sichere Verhaltenskontrolle lag eben doch vor, auch wenn Herr Dr. X (Name von der Redaktion geändert :-)) mit seinen überspannten Erkenntnissen anderer Auffassung sein mag.
Es wird empfohlen, Herrn Dr. X dahin gehend vortragen zu lassen, wie er sich diese Widersprüche erklärt, zudem möge er substantiiert darlegen, wie er zu der Annahme des Kontrollverlusts kommt, hierfür sollten wissenschaftlich belastbare Nachweise erbracht werden (auch und gerade Literaturnachweise!). Mir sind jedenfalls keine rechtlichen Fundstellen bekannt, die den Rückschluss zwischen Fortführung eines rechtlich gerade gebilligten Verhaltens und einem angeblichen Kontrollverlust zum Gegenstand haben.
Ein Entzug der Fahrerlaubnis wird auf dieser Grundlage keinen Bestand haben, insofern sehe ich einer entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzung gelassen entgegen.
Ich bitte Sie deshalb, von einem Entzug der Fahrerlaubnis abzusehen, sollte diese denn wirklich aufgrund dieses mangelhaften Gutachtens intendiert sein.
Um Mitteilung Ihrer Auffassung bitte ich höflich. ..."
Die Frage, ob ein fortgesetzter Konsum nach angeordnetem ärztlichen Gutachten aufgrund des Verdachts des Konsums von BtM (nicht dem
nachgewiesenen Konsum von Cannabis, da muss strikt die Finger von der Tüte lassen!) einen Kontrollverlust bei der betreffenden Person begründet, wird nicht einheitlich beurteilt.
In Rosenheim sieht man das erstaunlicherweise so:
Sowas ist natürlich immer schön zu lesen und ist auch ein Indiz dafür, dass sich rechtliche Hilfe manchmal lohnen kann, denn sonst hätte die Behörde angesichts dieses Befunds auch mal schnell die Fahrerlaubnis entziehen können.
Aufgrund der Umstrittenheit dieser Frage sollte man sicherheitshalber mit dem Konsum von Cannabis aufhören, wenn die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens wegen des Verdachts des Konsums von BtM ins Haus flattert.
Und das ist typisch, wenn man etwa im Darknet ein paar Sachen für´s Wochenendamusement wie MDMA, Speed, Kokain, LSD oder whatever bestellt und den Konsum dieser Sachen nicht eingeräumt hat (das ist hier schlau gewesen!). Oder wenn die Ex behauptet "der zieht sich am Wochenende immer kiloweise Speed rein!" (übrigens ein Klassiker die Sache mit der Ex!)
Im vorliegenden Fall hat der Betroffene gesagt, er habe das Zeug für einen Freund bestellt. Da ich meinen Mandanten glaube (Vertrauen ist wichtig!), nehme ich das mal als Wahrheit hin. Die Gutachter wissen zwar auch, dass man sowas bezweifeln kann, aber letztlich geht es um den Nachweis des Gegenteils, denn die Behörde ist beweispflichtig.
Wenn also so eine Aufforderung der Behörde bei Ihnen in der Post liegt, scheuen Sie nicht, mich mal anzurufen, oft genug kriegt man mit etwas brauchbarer Argumentation noch die Kurve...und kann den Führerschein behalten. Wie immer möchte an dieser Stelle nochmal darauf hinweisen, dass Redfahrer die cooleren Leute sind. Aber auch da gibt es solche und solche Meinungen...
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