Wie sich vermutlich bereits herumgesprochen hat, gab es vor einigen Wochen zeitlich offenbar aufeinander abgestimmte Durchsuchungsaktionen gegen Growshops aus Bremen und Hannover, darunter Grasshopper, Udopea und Euphoria.
Ein bißchen was zu dem Thema konnte man u.a. in der TAZ nachlesen.
Der Vorwurf lautet soweit mir bekannt in allen Fällen Beihilfe zum Anbau in nicht geringer Menge. Dies versuchen die Ermittlungsbehörden durch Abhörprotokolle von Kundengesprächen und Aussagen von "Kronzeugen" aus dem Gefängnis zu untermauern.
Ob sich diese Vorwürfe am Ende halten lassen können, ist jetzt noch nicht sicher abzusehen. Tatsache ist aber, dass eben diese Erkenntnisse dazu geführt haben, die Shops und deren Inhaber/Mitarbeiter sowie deren Kunden sehr stark unter die Lupe zu nehmen. Telefone wurden über Monate abgehört, heimliche Videoaufzeichnungen gefertig, Bewegungsprofile der verwanzten Auslieferungsfahrzeuge erstellt usw.
Mir sind mehrere Fälle bekannt, in denen anhand von Nummernschildern von Kunden, die nur Erde und Töpfe kaufte, Ermittlungen eingeleitet wurden mit dem Ziel der Hausdurchung.
Mit anderen Worten wurden hier ziemlich viele technische Register gezogen, die man sonst eher im Bereich der Schwerkriminalität und mafiöser Strukturen erwartet hätte.
Den für die Ausfertigung der Durchsuchungsbeschlüsse zuständigen (eher besonnenen) Richtern reichten die Erkenntnisse teilweise nicht aus, da etwa nur Erde eingekauft wurde und auch abgedunkelte Fenster für einen derartigen Beschluss ohne weitere Verdachtsgründe nicht ausreichen. Die abschlägig beschiedenen Anträge fochten die Staatsanwälte mit der Beschwerde vor dem Landgericht an und auch dies gab in diversen Fällen kein grünes Licht für die Hausdurchsuchungen.
Damit gaben sich dann aber weder Polizei noch Staatsanwaltschaft zufrieden. Diese klingelten an der Tür der Betroffenen und zeigten die vermeintlich erdrückenden Beweise (Bilder beim Abholen der Erde, Töpfe etc, bzw. von Lüftungsschläuchen aus dem Dachfenster) und baten um freiwilligen Einlass. Bei dieser Gelegenheit gaben Sie wohl mitunter zu verstehen, dass man freiwllig reingelassen werden könne oder, falls dies abgelehnt wird, ein richterlicher Beschluss erwirkt wird (von dem die Polizisten wussten, dass es diesen nicht geben wird).
Sowas ist kriminalistische List. Grundlegend sollte jedermann wissen, dass niemals eine polizeiliche Maßnahme dadurch legitimiert werden sollte, indem man sie zu einer freiwilligen Maßnahme gemacht wird. Mit anderen Worten: Auf die Frage, ob man freiwillig mit irgend etwas einverstanden sei, lautet die Antwort immer: NEIN. Immer, aber auch immer nur mit Beschluss! Ist die Polizei erstmal im Haus und hat eine Plantage gefunden, lässt sich dies so gut wie nicht mehr rückgängig machen.
Wie weit die Behörden jetzt noch weitere Maßnahmen ergreifen, etwa anhand beschlagnahmter Kundendaten, ist nicht genau zu prognositizieren. Man beachte aber, dass in den Geschäften diverse Datenträger beschlagnahmt wurden und deren Auswertung sich noch hinziehen dürfte. Nach welchem Raster diese Daten bearbeitet werden, ist natürlich nicht bekannt.
Allerdings lässt die sehr nachdringliche Art des Vorgehens der Polizei schlimmeres befürchten. Wer bei einem der genannten Growshops angerufen hat, um recht spezifische Fragen zum Thema Anbau telefonisch zu besprechen (innerhalb der letzten 6 - 12 Monate und am besten noch unter Nennung der von ihm angebauten Sorte), den dürfte die Polizei auf dem Schirm haben.
Aus ernstzunehmender Quelle aus dem Umfeld des Bremer LKA ist mir zudem bekannt, dass die Polizei in den genannten Städten verschiedene Wertstoffhöfe überwachen soll, um durch die Nachrichten aufgeschreckte Kunden beim Entsorgen von Growequipment, Pflanzresten etc. zu überwachen.
Ob die so gefundenen Erkenntnisse dann für die Staatsanwaltschaften ausreichen, um Hausdruchsuchungsbeschlüsse beim Gericht zu erwirken, steht wie gesagt auf einem anderen Blatt. Mit Besuch der Polizei samt der freundlichen Bitte, eine freiwillige Durchsuchung zu genehmigen dürfte aber in vielen Fällen zu rechnen sein.
Insgesamt erinnert vieles an dem Vorgehen an die Geschichte mit Catweazel, ähnliche Dominoeffekte wie damals sind nicht auszuschließen.
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jürgen langer (Montag, 27 Oktober 2014 08:56)
Hallo,
mich hat es als Kunden erwischt !
Nur weil ich dort einen Ventilator gekauft habe,der für mein Wohnmobil gedacht war,werde ich beschuldigt,damit Rauschmittel zu förden oder so ähnlich.Habe die Anschuldigung nicht mehr im Kopf... Bin im Kurzurlaub.
Wenn ich im Rechtschutz gewesen wäre,hätte ich auf diesen Geistiegen Dünnschiss erst garnicht drauf reagiert.
Jetzt muss man nicht nur angst haben,das die Ware nicht ankommt,sondern muss sich das Geschäfft auch noch vorher ansehen,wo man kauft...
Die Nächsten Wahlen kommen bestimmt,und dann gehe ich alles andere wählen,als das,was wir zu zeit dran haben !
m.f.g Langer
Samba (Samstag, 15 November 2014 16:43)
Glaub ich Dir nicht...! Bulle?
strafverteidiger-schuelle (Donnerstag, 20 November 2014 14:00)
Ausreichend für das "Durchwinken" von Hausdurchsuchungsbeschlüssen bei Kunden von Udopea waren u.a. ein abgehörtes Telefonat, bei dem eine Zeitschaltuhr bestellt wurde...diese taucht dann nicht als solche, sondern so im Antrag der Staatsanwaltschaft beim Gericht auf einen Hausdurchsuchungsbeschluss auf: "Kundin bestellte typisches Anbauequipment". Das reicht für einen HD Beschluss. Wird die Uhr im Baumarkt gekauft: Kein Problem.
Beim Kauf in einem Growshop: Ausreichende Anhaltspunkte für eine Straftat. Das gleiche Spiel hat ein anderer Mandant wegen Spezialerde - das ungeschlagene Highlight in dieser Reihe konstruierter Gründe für HD Beschlüsse war ein Mandant aus Hannover, der telefonisch im Sommer Raubmilben bestellte. Ergebnis: Hausdurchsuchung.
Man braucht also nicht mal mehr verdunkelte Fenster und defekte Aktivkohlefilter oder den schönen NDL-Lichtschein aus Fensterritzen um genug Verdachtsmomente für eine Durchsuchung zu liefern....das geht alles sehr viel schneller diese Tage.
Die Behörden denken so: Growshop = bietet Equipiment zum Cannabisanbau an und zwar ausschließlich, sonst könnte der Kunde ja auch im Baumarkt kaufen. Wer dort Zubehör jeder Art zur Pflanzenzucht bestellt, baut Cannabis an und muss bei polizeilichen Ermittlungen gegen den Shopbetreiber mit Hausdurchsuchungen rechnen. Die Zahl der Richter, die solch dünne Beweislagen für die Ausfertigung eines Hausdurchsuchungsbeschlusses ausreichen lassen, ist hoch, das wird nicht kritisch hinterfragt, da wird durchgewunken und geschaut, was sich finden läßt.
Überspitzt kann man sagen: Jeder, der in einem Growshop Equipment kauft und zuhause anbaut, lebt sehr riskant im Moment und in Zukunft wohl auch. Jedenfalls ist das die Tendenz in Niedersachsen und Bremen. Mehrere Growshops wurden hochgenommen und man weiß nicht, in welchen anderen Bundesländern gerade Überwachungsmaßnahmen laufen. Die Grower sind ein leichtes Ziel, Standartermittlungsmaßnahmen führen hier zur nennenswerten Erfolgen, die sich die Herren von den BtM-Dezernaten ans Revers heften können, während auf die Straße die Koksdealer unbeirrt ihren Dreck an den Mann bringen. So ist das halt bei einer verfehlten Drogenpolitik. Grower und Growshopbesitzer müssen dafür herhalten, dass die Statistiken stimmen und Erfolge geliefert werden im Kampf gegen die Drogen. Diese Gruppe ist eben für die Opferrolle prädestiniert. Mit wenig Aufwand kann die Polizei hier viel rausholen.
Samba (Samstag, 22 November 2014 17:00)
Tja,dann ist wohl eine Entschuldigung meinerseits angebracht,Herr Langer.
Dann werde ich wohl auch Besuch bekommen...mal abwarten wann...
strafverteidiger-schuelle (Samstag, 22 November 2014 18:30)
Ob Sie auch Besuch bekommen, steht damit ja nun nicht gleich fest. Aber als Growshopkunde, über den irgendwas in den Unterlagen der polizeilichen Überwachung zu finden ist, lebt es sich riskant. Barkauf vor Ort scheint da noch die sicherste Variante des Einkaufs zu sein, wenn nicht gerade ein paar Zivilpolizisten sich vor der Tür das Nummernschild notieren. Bei Udopea wurde der Parkplatz des Außenlagers (Abhollager für größere Bestellungen) optisch überwacht. Wer ist wann wo vorgefahren und hat was eingeladen? Das interessiert die Polizei. Wo die Kamera versteckt war, weiß ich nicht, dies ergab sich nicht aus den Akten. Aber dass dann Halterabfragen wegen der Nummernschilder gemacht wurden, sehr wohl. Ein anderer Mandant hat ein paar Sack Erde im Außenlager gekauft und das Ergebnis war die Observation seines Wohnhauses, die heimliche Überprüfung des Stromverbrauchs über den regionalen Grundversorger SWB. Diese Vorgehensweise ist absoluter Standard und nichts neues. Gleiches Strickmuster in Bremen und Hannover. Dann war auch noch ein Fenster tagsüber verdunkelt und das reichte für eine Hausdurchsuchung. Inwieweit bei den Growshops beschlagnahmte Kundendaten noch zu Hausdurchsuchungen führen werden, ist unklar und hängt natürlich letztlich auch von der Personallage bei der Polizei ab. Jedenfalls in Bremen schien der Fokus zunächst auf den Angestellten und Betreibern von Udopea zu liegen sowie auf deren Bekannten. Von da aus wird sich vermutlich weiter vorgearbeitet, keine Ahnung, wie weit.
Samba (Samstag, 22 November 2014 19:11)
Danke Herr Schuelle für die nette Info.
Ich war Online Stammkunde bei Udopea.
Deshalb rechne ich mit Besuch.
Ich sitze zwar am anderen Ende der BRD,mache mir da aber nix vor. Ich bin vorbereitet.Mehr kommt von mir nicht mehr.
Angenehmen Abend
Peter (Samstag, 06 Dezember 2014 16:30)
Hallo zusammen,
hatte vergangene Woche Besuch von der Polizei mit richterlichen Durchsuchungsbeschluss.
Auf dem war vermerkt das ich bei Udopea Eqipment bestellt habe:(
RA Schüller (Freitag, 08 Mai 2015 09:07)
3 Jahre...das ist grotesk. Die probieren es mit allen Mitteln. Man kann nur warnen vor Bestellungen im Netz. Nur noch Barkauf und NICHT mit Auto vorfahren (in Bremen und Hannover gab es a) Langzeit Video Überwachung der Parkplätze der Polizei mit Halterabfrage und b) Zivilfahnder im Shop, die die Ohren aufmachten beim Kundengespräch zwischen Verkäufern und Kunden und dann bis zum Auto hinterher liefen!). Kein Internet, Keine Handys, keine Zahlungen per EC Karte. Das kann und sollte man sich alles klemmen. So sieht es aus im Jahr 2015 im Überwachungsstaat Deutschland. Ich hoffe, dass nicht viel gefunden wurde außer die alte Lampe!
RA Schüller (Dienstag, 12 Mai 2015 09:46)
Was die Frage der Daten angeht...vermutlich werden Bestandsdaten dafür verwendet. Klar kann das auch in Echtzeit passieren, so was ist mir in diversen Ermittlungsakten aber noch nicht unter gekommen. Was aber nichts heißen will, da die Polizei dieser Tage sowieso recht erfinderisch ist. Und in den Akten, das darf man glauben, steht eh nur die Hälfte....